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Die Küchen-Koryphäe

  • Autorenbild: The Machine
    The Machine
  • 27. März 2021
  • 5 Min. Lesezeit

Es war wieder einmal so weit: Ich hatte genug von den kulinarischen Fehlschlägen meiner Familie und wollte nun endlich den Kochlöffel selbst in die Hand nehmen. Jedenfalls dachte ich, dass ich mein fast schon professionelles Talent an Herd und Grill schon zu Genüge mit Tütensuppen und Fertiglasagne unter Beweis gestellt hatte, weshalb es nun an der Zeit war, die wirklich wichtigen Gerichte zu zaubern. Darunter fällt natürlich auch nichts geringeres als ein saarländisches Nationalgericht: Linsensuppe.


Unvorbereitet wie ich war, betrat ich also nur mit den allgemeinsten Kochutensilien ausgerüstet die Küche meiner Mutter: Ein 60kg Sack Rindenmulch, zwei Zentner Spachtelmasse, mein Schraubendreher-Set sowie einer Rolle Panzerband. Nicht zu vergessen, der V12-Kärcher, um die Sauerei hinterher wieder schnell sauber zu bekommen.


Entsetzt musste jedoch ich feststellen, dass man zum Kochen wohl nur unter den widrigsten Umständen eine Rolle Panzerband benötigte. Andererseits wurde mir klar, dass man mit einem Schneebesen nicht im Winter die Einfahrt räumt – ich musste also mal wieder meinen Intellekt unter Beweis stellen und die neuen Methoden der Nahrungszubereitung adaptieren, die mir meine Mutter vorsetzte.


Ich saß nun mit meiner Mutter am Tisch, ein Schneidbrett vor mir, und wartete auf die erste zu bearbeitende Anweisung. Ich überblickte noch einmal alle zurecht gelegten Zutaten, von denen ich nur einige entfernt kannte, weil ich sie irgendwann mal aus einem Rasenmäherkorb entleert hatte.

Stumm schob mir meine Mutter ein seltsames Schneidgerät herüber, mit der Anweisung ich solle das Gemüse schälen. Gemüse, das war der Begriff den ich gesucht habe.

Das seltsame Gerät beschreibt sich wie folgt: Es besaß einen Griff, ähnlich eines Messers, die Klinge war in der Mitte zweifach gespalten und gebogen. Nach einiger Zeit des Überlegens fiel es mir wieder ein: Ich benutzte dieses Utensil ab und zu, um mir die Hornhaut von den Füßen zu entfernen.

Meine Mutter war ja der Überzeugung, dass es sich um einen Kartoffelschäler handelte, aber ich habe ausnahmsweise mal darauf verzichtet, sie eines Besseren zu belehren.


Ich nahm mir also Rübe für Rübe vor, entfernte die obersten 2 Zentimeter von einer jeden, um auch wirklich sicher zu sein, dass keine Schale mehr zu finden war.

„Lässt du auch noch etwas für in die Suppe übrig?“, höhnte meine Mutter. Offenbar war ihr die Wichtigkeit ausreichender Hygiene bei der Nahrungszubereitung nicht bewusst.

Ich hatte endlich alle Rüben geschält und zerkleinert, da wies mich Fräulein Mama darauf hin, dass ich dasselbe Prozedere nun auch mit den Kartoffeln durchexerzieren müsse. Nach einer schriftlichen Beschwerde in der Gemüseabteilung vom örtlichen REWE, dass man das Gemüse doch bitte geschält und gewaschen auslegen sollte, widmete ich mich dann endlich der Aufgabe des Kartoffelschälens.


Ich war drauf und dran, den Salat endlich in den Kochtopf zu geben, da erfasste mich ein hochfrequentes „HALT!“ aus der Richtung meiner Mutter. Waschen und pürieren stand als nächstes auf der Liste. Wieder einmal demonstrierte ich meine geistige Überlegenheit, indem ich die Methode der Reinigung selbst wählte. Während meine Mutter dachte, eine manuelle Reinigung unter fließendem Leitungswasser wäre völlig ausreichend, durchpustete ich das Grünzeug mit meinem 1200-Atmosphären starken Hochdruckreiniger.


Seelenruhig zerkleinerte ich das Gemüse nun mit dem alten Rasierapparat meines Vaters, während meine Mutter sich abtrocknete. Endlich durfte ich das Suppengrün, nicht aber die gewürfelten Kartoffeln, mit etwas Wasser in den Druckkochtopf geben. Schon beim Anfeuern des Herdes wurde mir klar, dass zur Montage des Dichtungsringes, der unter den Topfdeckel gehörte, ein besonderes Können von Nöten war – deshalb überließ ich das auch meiner Mutter. Meinem geschulten Auge war nicht entgangen, dass zur Befestigung dieses Deckels ein Flansch, genauer: ein Blindflansch, viel geeigneter wäre. Ich verwarf den Gedanken dann aber doch, weil man den Deckel ja auch wieder herunter bekommen sollte. Ich könnte auch noch ausholen und über die Montage ein es Zapfhahnes an der Seite des Gefäßes philosophieren, aber das würde zu weit führen.


Ich drehte den Herd auf volle Leistung und überließ die Suppe für einige Zeit sich selbst. Ich trank eine Tasse Kaffee, verrichtete mein Geschäft, zog über die minderen Schreibkünste der Artikelautoren der Saarbrücker Zeitung her, putzte meinen Wagen, übersetzte die Bibel ins Klingonische, tapezierte das Wohnzimmer mit einer neuen Lage derselben Raufasertapete und abschließend erklärte ich meiner Katze, wie sie den Rasen mit einer Wechselkopf-Zahnbürste mähen könnte. Als ich dann wieder zurück zum Herd kam, traf mich der Schlag! Ich hatte doch tatsächlich vergessen, dass da noch eine Suppe auf dem Herd stand.


Der Druckkochtopf glühte gefährlich orange und pustete mit einem ohrenbetäubenden Pfeifton tonnenweise Wasserdampf aus allen Ritzen. So viel Wasser hatte ich da jetzt auch nicht rein getan. Nicht zu verschweigen, dass der Topf an sich schon kugelrund verformt war. Ich musste handeln, aber zu mehr als einem einfachen Ruf, war ich nicht mehr in der Lage.

„In Deckung!“, rief ich und warf mich flach auf den Boden, um hinter der Küchentheke Schutz zu suchen. Mit einem kräftigen Donnern platzte das Metallgefäß und verteilte die Suppe im ganzen Stockwerk.

Meine Mutter war weniger begeistert von meinen bisherigen Kochkünsten, aber ich musste konstatieren:

A) Die frische Wohnzimmertapete hatte nun ein fröhlich-braun gesprenkeltes Muster.

B) Es roch im ganzen Haus nach meinem Leibgericht.

C) Ich war erneut dazu in der Lage, die überlegene Reinigungsleistung eines Hochdruckreinigers unter Beweis zu stellen.


Alles in allem also eine positive Zwischenbilanz. Nichtsdestoweniger sollte am Folgetag immer noch ein Linseneintopf auf dem Mittagstisch stehen, den es nun noch zu kochen galt. Das hinderliche daran war, dass ich das Suppengrün, dass da an der Küchenwand herab tropfte unmöglich wiederverwenden konnte. Übler noch: Der einzige Druckkochtopf im Haus war geplatzt und der Herd hatte einen Kurzschluss.

Dem Herrn sei Dank bin ich ja aber nun doch ein einfallsreiches Kerlchen: Ich würde also einfach die Suppe im Backofen zubereiten und etwas Grünschnitt unter die Linsen mischen, das fiele sicher keinem auf.


Der Rest der Geschichte verlief recht fehlerfrei, lediglich die Frage, wie man die Suppe wieder aus dem Backofen bekäme, ohne die Küche zu fluten, stellte eine kurzfristige Herausforderung dar.

Schließlich kam der Tag X, an dem die gesamte Familie sich zusammenfand, um sich dem edlen Genuss einer ordentlichen Linsensuppe zu laben. Und ich muss bescheiden zugeben: Es war ein voller Erfolg. Teller für Teller schlürfte sich die krummbucklige Verwandtschaft die Suppe in den Hals. Der Nachteil an Linsen war, dass diese die Verdauung erheblich beschleunigten. Bald schon entbrannte ein Wettrennen, wer zuerst zum Porzellanthron gelangen könnte, ohne auf dem Weg dorthin einer spontanen, linseninduzierten Enddarmentleerung zum Opfer zu fallen.


Mein Vater schaffte es als erster zur Toilette und knallte mir die Tür vor der Nase zu. Ich lehnte völlig erschöpft an der Tür und horchte. Von drinnen erreichte mich ein Geräusch, das entfernt an das Rascheln von Münzen in einem Sparschwein erinnerte. Scheinbar waren die Linsen nicht allzu weich geworden.


Dann endlich war ich an der Reihe. Ich setzte mich und drückte ab. Sicherheitshalber ließ ich den Blick nach rechts schweifen, wo aber nichts weiter in der Halterung hing, wie die Papprolle des Klopapiers, an der noch ein einziges Blatt herabhing und im durch das gekippte Fenster hereinwehenden Wind hin und her schaukelte.


 
 
 

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